Muttermaschine

von | Aug 15, 2020

#Frau Troche schreibt…

Das Baby eine Last, die nicht die ihre ist. Es gehört nicht zu ihr. Und geht doch nicht wieder weg. Sie fühlt sich gefangen.

Sie kann nicht sagen, wo die Gefühle für ihren Sohn hin sind. Sie waren da – vor den Tagen, die zu Nächten wurden, vor der Unsichtbarkeit der Mutterschaft, vor der Gereiztheit, der Erschöpfung, als noch noch Ruhe war. Diese wohltuende alles umfassende Ruhe. Innerlich wie äußerlich. Und doch ist sie sich sicher, dass sie noch da ist. Die Liebe zu ihrem Sohn. 
Irgendwo in dem Knäul an Gefühlen muss sie sein. Eine unfreie Liebe, Opfer der Routine, Resultat des Alltags. 

Eine Liebe, die keine Zeit für sich selbst hat.

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Sie braucht ihre Zeit. Brauchte sie schon immer. Nicht aus Egoismus wie ihre Mutter meint. Nein. Als Überlebenswichtigkeit. So war sie nun einmal. So wollte sie wieder sein.

Sie hatte das Baby bekommen, weil alle ein Baby bekamen. Es gehörte doch dazu. Erwachsene bekommen Kinder. Sie führen ein normales Leben angefüllt mit Lebensrollen. Ihre Rolle war die der Ehefrau und Mutter.
Wenn sie ehrlich war, hatte sie noch aus einem anderen Grund ein Kind haben wollen. Als Therapie vor dem Übermaß an Beschäftigung mit sich selbst, die schon allzu oft ein böses Ende genommen hatte. Das Baby sollte sie heilen. Ein für alle Mal. Die Nebenwirkungen dieses Medikaments hatte sie unterschätzt, obwohl sie sich mit Medikamenten auskannte.

Erwachsene bekommen Kinder. Sie führen ein normales Leben angefüllt mit Lebensrollen. Ihre Rolle war die der Ehefrau und Mutter.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Die Schwangerschaft gefiel ihr und stand ihr. Mit jedem Monat fühlte sich sich vollendeter, mit einer lebenswichtigen Aufgabe ausgefüllt. Ihr Leben hatte auf einmal eine Bedeutung. Da konnte sie auch die Banalitäten der anderen mit ihren stumpfen Bemerkungen, ihren trivialen Berührungen und vorhersehbaren Tagen ertragen. Bis zu dem einen Tag, den sie nicht kannte. Diesem kurzen Moment, der so lange war. Diesem aufflackernden Gefühl, dass allen Raum in ihr einnahm und sie anschrie: Du hast dein Leben verloren. Sie wusste es. Etwas war in ihr gestorben. Genau jetzt.

Genauso laut war der Schrei, den das Baby ausstieß unmittelbar nachdem man ihr das schleimige Nackte auf ihre schweißverklebte Brust drückte. Sie wollte es nie wieder hergeben, es war ihres, gehörte nur ihr allein.

Sie liebte es, wiegte es, tröstete und stillte. Tat alles, was andere Mütter taten. Sie war aufgenommen in den achtsamen Kreis der Gebärenden. Pflicht erfüllt. Leben verloren.

Ihr war das Gefühl für sich abhanden gekommen, trotz des erneuten Tabak-, Alkohol- und Männerkonsums bereits wenige Tage nach der Geburt. Auch diese Medikamente hatten ihre Wirkung verloren.
Sie hatte wieder begonnen, den Hunger in ihr Leben zu lassen. Sie hatte das Gefühl immer gemocht, Hunger zu haben. Zu fühlen, wie der Magen sich zusammenzieht und dann kein Verlangen mehr hat. Sie hat ihre Magerkeit kultiviert wie eine Lebenskunst. Doch auch das wirkte nicht mehr.

 Alles hatte an Wirkung verloren.

 

Er will ein zweites.

 

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